Als James Ritty 1879 die Registrierkasse erfand, wollte er verhindern, dass seine Angestellten seines Saloons in Dayton, Ohio, ihn hintergehen. Deswegen klingeln die traditionellen Registrierkassen beim Öffnen der Schublade. Damals wusste Ritty nicht, welches mächtige Kontrollinstrument er geschaffen hat. Wie kommt es, dass trotzdem getrickst wird? Der Grund ist denkbar einfach: Die neuen und verschiedenen Einstellungsmöglichkeiten sowie Softwareaktualisierungen können Tricksereien ermöglichen – auch wenn seit dem 1. Januar 2017 neue Pflichten für die Benutzung von Registrierkassen, PC-Kassen und Ähnliches existieren. Oft kennen die Betriebsprüfer die Kasse besser als der Chef selbst, weil sie intensiv geschult werden.
Der Wirt kontrolliert mit der Kasse seine Angestellten. Der Staat mit den Kassen die Gastronomen.
Steuern werden digital hinterzogen
Vorbei die Zeiten, in denen mit Old School Tricks Steuern in der Gastronomie hinterzogen wurden. „Profis“ arbeiten mit sogenannten Zappern, ein USB Stick, mit dem der Tagesumsatz nach Belieben korrigiert und die Eingaben manipuliert wird. Wer einen Zapper oder eine andere Phantomsoftware benutzt, macht sich strafbar. Die Steuerbehörden kontern mit IT-Experten und der raffinierten Prüfsoftware, die große Datenmengen scannt und Unstimmigkeiten aufdeckt. Doch wie erkennt der Betriebsprüfer Tricksereien?
Wenn der Betriebsprüfer ihre Lieblingszahl aufdeckt
Jeder Mensch hat eine Lieblingszahl. Dumm nur, wenn der Betriebsprüfer in den Kassenbüchern eine Vorliebe für eine gewisse Zahl entdeckt. Wie das? Finanzbehörden haben eine ausgeklügelte Software entwickelt, die mit mathematisch-statistischen Testverfahren die Unternehmenszahlen überprüft. Ein Verfahren ist der sogenannte Chi-Quadrat Test, der die reale und zu erwartende Häufigkeit der Daten überprüft. Diese statistische Methode gründet auf der Beobachtung, dass das Vorkommen der Ziffern 0-9 einer statistischen Häufigkeit unterliegt. Taucht eine Ziffer besonders häufig auf, schlägt die Prüfungssoftware aus. Der Betriebsprüfer geht davon aus, dass die Zahlen gefälscht worden sind.
Unter Experten ist der Chi-Quadrat Test umstritten, weil er branchenspezifische Eigenheiten nicht berücksichtigt. Er dient jedoch als Hinweis für Manipulationen, die der Betriebsprüfer erst belegen muss. Die Rechtsprechung hat entschieden, dass dieser Test keine Zuschätzung des Beamten rechtfertigt (2 K 1277/10).
Die Welt liebt kleine Zahlen. Der Betriebsprüfer auch.
Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass die ersten Seiten von Bücher und Zeitschriften abgegriffen sind, während die letzten Seiten noch fast wie neu glänzen? Das hat nichts mit Desinteresse oder mangelnder Zeit des Lesers zu tun. Fakt ist, dass kleine Ziffern viel häufiger vorkommen als große Ziffern. Diese statistische Gesetzmäßigkeit beschreibt das Benfordsche Gesetz, welches Statistiken über die Häufigkeit von Ziffern bildet. Zahlen mit kleinen Anfangsziffern kommen häufiger vor als Zahlen mit großen Ziffern. Diese Gesetzmäßigkeit trifft auf alle Datensätze zu – sei es Einwohnerzahlen oder das Kassenbuch. Probieren Sie es doch selbst aus: Suchen Sie in Google nach einem Begriff. Wetten, dass das Ergebnis des Suchbegriffs mit einer kleinen Ziffer – höchstwahrscheinlich – mit einer 1 beginnt?
Laut dem Benfordschem Gesetz kommen die Ziffern 1 – 9 als Anfangsziffer in der Häufigkeit vor:
1 = 30,1 %
2 = 17, 6 %
3 = 12,5 %
4 = 9,7 %
5 = 7,9 %
6 = 6,7 %
7 = 5,8 %
8 = 5,1 %
9 = 4,6 %
Der Tenor dieser statistischen Methoden lautet, dass echte Zahlen eine bestimmte Gesetzmäßigkeit erfüllen, während das bei gefälschten Zahlen nicht zutrifft. Das überprüft die Prüfsoftware.
Quelle: Gernot, B., Bensmann, M. et al. 2010. Der Einsatz mathematisch – statistischer Methoden in der digitalen Betriebsprüfung. Ilmenau: proWIWI e.V.